WIEN WIRD STADT UND BUNDESLAND

Wien erlangte durch die Bundesverfassung der Republik die Stellung eines Landes. Es löste sich vom alten Land Niederösterreich los und wurde ein selbständiger Gliedstaat (Bundesland) der Republik. Der Wiener Gemeinderat ist zugleich Landtag. Die Landtagssitzungen finden gesondert von den Gemeinderatssitzungen unter dem Vorsitz eines eigenen Präsidenten statt. Der Bürgermeister ist zugleich Landeshauptmann, das heißt Chef der Landesregierung, der Stadtsenat ist zugleich die Landesregierung.

Wien ist also Gemeinde, politischer Bezirk und Land zugleich. Das ist wichtig, weil dem Wiener Gemeinderat als Landtag natürlich dieselben Rechte wie allen anderen Landtagen zustehen, vor allem das Recht der Gesetzgebung, soweit es nicht dem Nationalrat vorbehalten ist. Die Wiener Steuern werden also im Gemeinderat als Landtag beschlossen.

Eine bedeutende Erweiterung hat die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz des Landes Wien dadurch erfahren, dass am 1. Oktober 1925 neue Bestimmungen der Bundesverfassung über die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern in Kraft getreten sind.

Das wesentliche Resultat der Erhebung Wiens zum Bundesland war die Erringung der Steuerhoheit. Das Bundesland Wien konnte im Landtag Steuergesetze beschließen, die der Kassa der Stadt Wien jene Gelder zuführte, die es der Stadtverwaltung ermöglichte, ihre kommunalpolitischen Pläne auf Wiener Boden zu verwirklichen. Das Wiener Steuersystem (mit Wohnbausteuer) das erst den Bau der 64 000 Gemeindewohnungen in der Zwischenkriegszeit ermöglichte, hätte in den Grenzen einer bloß städtischen Verwaltung und damit engeren Vollmachten niemals geschaffen werden können.